Gerichte und Behörden

Kinderanwältinnen und Kinderanwälte als Rechtsvertretende des Kindes werden in aller Regel durch Zivilgerichte oder durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) eingesetzt.

Ziel der Einsetzung einer Rechtsvertretung des Kindes ist es sicherzustellen, dass das Kind mit seinen Anliegen und Bedürfnissen sowie sein Wohlergehen im Zentrum des Verfahrens steht. Dies gelingt indem dem Kind oder Jugendlichen mit der Rechtsvertretung des Kindes eine unabhängige Begleitung und rechtliche Vertretung seiner Interessen im Verfahren zur Seite gestellt wird. Aufgabe einer Rechtsvertretung des Kindes ist insbesondere die Herausarbeitung dessen Willens und das Einbringen im Verfahren sowie die Information des Kindes über das Verfahren.

Weitere Informationen zu Einsetzungskriterien finden Sie hier.

Einsetzungspraxis

In familiengerichtlichen Verfahren (z.B. bei Eheschutz, Scheidungen, strittigem Kindesunterhalt) wird Artikel 299 f. der Zivilprozessordnung (ZPO) als gesetzliche Grundlage herangezogen (siehe fedlex, die systematische Rechtsammlung des Bundes.

In Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) dient insbesondere der Artikel 314abis des Zivilgesetzbuches (ZGB) als gesetzliche Grundlage (siehe fedlex).

Die Einsetzung einer Rechtsvertretung für das Kind wird schriftlich verfügt und den Eltern sowie dem Kind mitgeteilt. Vorab ist den Eltern und dem urteilsfähigen Kind zur Einsetzung an sich und zur Person der Rechtsvertretung das rechtliche Gehör zu gewähren. Die Einsetzung erfolgt stets für ein bestimmtes Verfahren.

Die Kosten der Rechtsvertretung des Kindes sind Teil der Verfahrenskosten.

Fachliche Anforderungen an Rechtsvertretende des Kindes

Die fachlichen Anforderungen an Kinderanwältinnen und Kinderanwälte sind gemäss Gesetz ‘eine in fürsorgerischen und rechtlichen Fragen erfahrene Person’ (siehe ZPO 299 in fedlex)

Für Kinderanwaltschaft Schweiz greifen diese fachlichen Kriterien zu kurz. Kinderanwaltschaft Schweiz hat kindgerechte Standards erstellt. Diese umfassen die besonderen, kindgerechten qualitativen Aspekte der Rechtsvertretung des Kindes.

Die im Verzeichnis der Kinderanwaltschaft Schweiz aufgenommenen Mitglieder erfüllen diese Standards und verpflichten sich diese einzuhalten. Unter anderem reicht jedes Mitglied jährlich einen Strafregisterauszug ein und bildet sich fortlaufend weiter.

Bei einer Verletzung der Standards findet eine interne Überprüfung statt.

Die Anhörung eines Kindes durch den Richter/die Richterin bzw durch ein KESB-Behördenmitglied stellt einen wichtigen Schritt im Verfahren dar und ist ein Rechtsanspruch des Kindes. Kinderanwaltschaft Schweiz sieht es als essentiell an, dass die Rechtsvertretung des Kindes hieran teilnehmen kann und verabschiedete im 2023 ein Positionspapier dazu.

Position von Kinderanwaltschaft Schweiz

Kinderanwaltschaft Schweiz publiziert an dieser Stelle inhaltliche Stellungnahmen zur Rechtsvertretung des Kindes.

2023: Positionspapier zur Teilnahme der Rechtsvertretung des Kindes an der Anhörung des Kindes.

Good practice

Nachfolgend führen wir einige wenige, bewährte Leitlinien für eine kindgerechte Justiz/childfriendly justice auf (die Auflistung ist nicht abschliessend und wird laufend ergänzt):

  • Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) erstellte gemeinsam mit der Konferenz für Kinder- und Erwachsenenschutzbehörden (KOKES) im 2020 eine wichtige Leitlinie zur angeordneten Unterbringung von Kindern und Jugendlichen ('Fremdplatzierung'), und der dringenden Empfehlung, in diesen Situationen dem Kind immer einen Kinderanwalt/eine Kinderanwältin zur Seite zu stellen. Dieser Empfehlung schliesst sich Kinderanwaltschaft Schweiz gerne an.
  • Der Kanton Zürich erliess im Februar 2016 eine aufsichtsrechtliche Weisung, die besagt, dass im Verfahren betreffend ausserfamiliärer Unterbringung eines Kindes die Nicht-Einsetzung einer Kindesvertretung zuhanden der Akten schriftlich zu begründen ist. Seither prüft und begründet die KESB im Kanton Zürich schriftlich, weshalb in einem Verfahren auf eine Einsetzung einer Kindesvertretung verzichtet wird. Dieses Vorgehen begrüsst Kinderanwaltschaft Schweiz.
  • Die KESB-Winterthur veröffentlichte eine aus Sicht von Kinderanwaltschaft Schweiz gelungene, praxisrelevante Leitlinie betreffend Einsetzung von Kinderanwält:innen und deren fachlichen Qualifikationen. Dabei stützt sie sich auf die Standards von Kinderanwaltschaft Schweiz.
  • KOKES veröffentlich jährlich eine Statistik, wieviele Kinder per Stichtag 31.12. des jeweiligen Jahres in KESB-Verfahren vertreten werden. Diese Statistik gibt wichtige Einblicke. Vertretungszahlen von Gerichten liegen dem Verein nicht vor und wären ebenfalls sehr wünschenswert (vor allem betreffend Art. 299 f. ZPO).
  • Das MMI hat gemeinsam mit Unicef zur Anhörungssituation auch zuhanden von Fachpersonen eine lesenswerte Broschüre verfasst, die hier kostenfrei bestellt werden kann.

 

Schulungen zur Rechtsvertretung von Kindern

Kinderanwaltschaft Schweiz bietet Schulungen, Workshops und Vorträge zur Rechtsvertretung des Kindes an. Bei Interesse melden Sie sich gerne bei der Geschäftsstelle, info@kinderanwaltschaft.ch oder telefonisch unter 043 344 61 71.